Spotify verspricht Lossless, liefert aber nur Marketing – und hier ist, warum das für Audiophile und dich ein Problem ist.
Hach, ich muss einfach mal ranten. Aber es geht nicht anders. Was macht Spotify da? Will Spotify uns alle an der Nase herumführen?
Erst einmal zur Einordnung: Ich hatte schon einiges im Internet zu dem Thema gelesen und The Headphoneshow hat es auf YouTube ebenfalls bestätigt. Spotify Lossless mag zwar auf dem Papier lossless sein, ist es aber in der Praxis nicht.
Eversolo, Hifi Rose und ein paar Andere bieten kein Spotify Lossless
Ich sitze auf dem Sofa, habe neue Amps hier, die ich teste, und denke mir: Ach komm, hörst mal die „Kickass Metal“-Playlist auf Spotify durch, um nach Neuheiten Ausschau zu halten. Also Spotify Connect benutzt – und siehe da: Das gewohnte „Lossless“ steht beim Streamer nicht unten. In meinem Fall der Eversolo DMP‑A6. In den Einstellungen wollte ich Lossless aktivieren, ist aber ausgegraut. Okay, vielleicht gibt es ein Update. In der Tat, Update eingespielt, kein Problem. Dennoch dasselbe Problem. WTF?!
Da hat man einen mittelpreisigen Streamer im Haus, der alles abspielt, was man ihm vorwirft, und das auch noch in richtig guter Qualität – aber Spotify Lossless ist nicht drin?
Also schnell gegoogelt, im Eversolo‑Forum gelandet und festgestellt, dass einige Nutzer genau diese Funktion vermissen. Und wenn man sich weiter einliest, fällt auf: Auch das Schweigen der Entwickler zu diesem Thema wird bemängelt.
Wie High‑Res‑Streamer arbeiten
Weiter gebuddelt, finde ich immer mehr Informationen zu dem Thema. Man denkt im ersten Moment: Hoppla, warum spielt mein High‑Res‑Streamer kein Spotify Lossless, wenn er doch Tidal, Qobuz und über Umwege auch Apple Music tadellos abspielen kann? Also erklären wir kurz, wie so ein High‑Res‑Streamer typischerweise arbeitet.
Tendenziell hat der Streamer einen Client des jeweiligen Streaming‑Dienstes installiert, der auf die API (also die Schnittstelle des Dienstes) zugreifen kann. Dieser Client kommt meist direkt vom Streaming‑Dienst, weil dort auch der Kopierschutz sichergestellt wird.
Die Clients von Tidal und Qobuz haben eine entscheidende Funktion: Sie können die Musik bei Bedarf direkt an einen DAC senden. Das ist das Teil, das aus einer digitalen Datei ein analoges Audiosignal macht. Der große Vorteil: Die Datei wird genau so wiedergegeben, wie sie über die API abgerufen wurde.
In Profi‑ und Audiophilen‑Kreisen spricht man dann von „bit‑perfekt“. Die Musik wird so abgespielt, wie sie bereitgestellt wurde – im Idealfall so, wie es der Interpret beabsichtigt hat. Also in derselben Bitrate. Wird die Datei ohne zusätzliche Komprimierung oder Veränderung abgespielt, sprechen wir von verlustfrei beziehungsweise lossless.
Spotify geht seinen eigenen Weg
Genau das tut Spotify nicht. Abgesehen davon, dass Spotify unter Lossless nur 16 Bit/44,1 kHz und 24 Bit/44,1 kHz versteht, kommt selbst diese Datei nicht unverändert beim DAC an.
Spotify und die Abtastrate
Fangen wir beim ersten Kritikpunkt an: Spotify scheint Musik, die in CD‑Qualität vorliegt, weitgehend unangetastet zu lassen – also 16 Bit/44,1 kHz. Anders sieht es bei Songs aus, die mit 24 Bit/44,1 kHz laufen. Andere Streaming‑Dienste zeigen, dass viele Tracks in höher aufgelösten Dateien vorliegen (48 kHz, 96 kHz, bis 192 kHz). Spotify nimmt anscheinend alle Tracks und rechnet sie auf 24 Bit/44,1 kHz herunter.
Das muss man nicht einmal überkritisch sehen, denn immerhin gibt es nach Jahren endlich die Möglichkeit, deutlich besser aufgelöste Musik zu hören. Und ja: Der Unterschied kann hörbar sein.
Was Spotify eben nicht bietet
Vergleicht man – wie im erwähnten Video – eine Lossless‑Datei, die man z. B. direkt vom Interpreten oder von Bandcamp (mit unkomprimierten WAV‑Files) bekommen hat, sieht es anders aus. Genau dieses Experiment wurde gemacht und mit den Lossless‑Files von Tidal und Qobuz verglichen. Dort gab es eine nahezu 100‑prozentige Übereinstimmung mit dem Ausgangsmaterial. Bei Spotify lag die Übereinstimmung bei rund 0,01%. Das ist im Grunde eine komplett andere Datei.
Spotify Files würden nichtmals als Plagiat durchgehen
Der Vergleich ist natürlich überspitzt, weil ja dieselbe Musik dahintersteckt. Aber bei 0,01% Übereinstimmung bei einer Doktorarbeit würde niemand Plagiatsvorwürfe erheben. Wenn man grob eine KI fragt, heißt es oft: Bis 5% kann man noch bedenkenfrei übernehmen, 5–10% sind prüfbedürftig, darüber wird es kritisch.
Damit ist klar: Das, was vorne angeblich als 16/24 Bit, 44,1 kHz reingeht, kommt hinten nicht wirklich so wieder heraus.
Übeltäter: Die Verarbeitungskette
Das Fingerpointing ist schnell gemacht: Spotify erlaubt keinen direkten, bit‑perfekten Kontakt zum DAC, sodass unsere Musik noch eine regelrechte Tortur durch die Abspielgeräte durchläuft. Unter Windows ist das der Audiomixer, unter Android das Pendant dazu. Hier wird das Signal weiterbearbeitet, konvertiert, neu gemischt – am Ende kommt tatsächlich eine andere Datei heraus.
Das ist schade, weil man es ja gut meint: Man macht einen Schritt auf die audiophilen Nutzer zu und reicht ihnen die Hand – aber die ist leider mit Scheiße beschmiert.
Warum aber gibt es jetzt keine Updates für Eversolo, Hifi Rose und Co?
Die Frage habe ich mir auch gestellt, eine offizielle Antwort aber nicht gefunden. Meine technische Vermutung: Die Player sind so konzipiert, dass sie Musik am Betriebssystem vorbei direkt an den DAC reichen. Da das mit Spotify faktisch nicht funktioniert, könnte der nötige Mehraufwand enorm sein – oder Nebenwirkungen erzeugen, weil die Geräte für diesen Weg schlicht nicht gebaut wurden. Sie sollen die möglichst akkurate Wiedergabe sicherstellen, nicht Workarounds für proprietäre Streaming‑Wege implementieren.
Workarounds – aber mit Haken
Ja, die gibt es. Auf einem Eversolo lässt sich etwa die native Spotify‑App nutzen. Dort kann man Lossless aktivieren und per Spotify Connect in Lossless abspielen. Ob das bei HiFi Rose genauso funktioniert, kann ich aktuell nicht sicher sagen, aber möglich wäre es.
Das Problem bleibt: In dieser Konstellation hatte ich immer wieder Probleme, etwa dass sich die Wiedergabe nicht sauber steuern lässt. Es wirkt wie ein Hack und unausgereift.
Ist das jetzt wirklich ein Problem?
Die Frage ist berechtigt. Meine Sicht: Ich möchte Musik, Filme etc. immer in der bestmöglichen Form vorliegen haben – ungeachtet der späteren Verarbeitung. Natürlich ist mir klar, dass meine AirPods Pro kein echtes Lossless können. Aber ich möchte sicherstellen, dass die Ausgangssituation möglichst gut ist, um dann hardwarebedingt aus der Original‑Datei zu wandeln.
Stille Post für Audiodaten
Vergleichen wir das mit „Stille Post“: Wir kennen das Prinzip – was am Ende ankommt, ist selten das, was am Anfang gesagt wurde. Wenn ich jetzt von einer bereits komprimierten Datei erneut eine Komprimierung über eine Komprimierung jage, ahnt ihr, wohin die Reise geht. Auch wenn der Unterschied nicht so drastisch ist wie bei Stille Post, entstehen Fehlerketten. Die werden sich zwangsläufig bemerkbar machen.
Natürlich bekomme ich mit AirPods nie das Feeling einer völlig unveränderten Datei. Aber ich möchte, dass die veränderte Datei so nah wie möglich am Original liegt.
Man kann sich auch streiten, ob die Komprimierung, die bei mir lokal stattfindet, qualitativ besser oder schlechter ist als die, die Spotify bei niedrigerer Bitrate durchführt. Aber ich bin mir sicher, dass Spotify jedes Byte in seinen Files optimiert, um Traffic zu sparen.
Aber warum macht Spotify das? Wollen die uns verarschen?
Die Wahrheit liegt irgendwo zwischen „verarschen“ und der Geschichte von Spotify. Spotify hat Musikstreaming quasi im Alleingang salonfähig gemacht – und das zu Zeiten von GSM‑Netzen und geringen Datenvolumina. Die Telekom hatte schnell Optionen im Portfolio, bei denen Spotify‑Traffic nicht aufs Datenvolumen angerechnet wurde. Gleichzeitig kostet der eigene Traffic beim Hosting Geld und Bandbreite.
Das heißt: Spotify wurde von Anfang an extrem auf Effizienz getrimmt. So auch bei den Musikdateien – jedes Byte zählt. Entsprechend viel Gehirnschmalz steckt in deren System. Dieses nun einfach aufzugeben, nur um „echtes“ Lossless zu integrieren, ist nicht trivial, weil die Plattform ursprünglich nie dafür ausgelegt war.
Jetzt das ganze System umzubauen und viele dieser Optimierungen zu „ent‑optimieren“, ist vermutlich deutlich komplexer, als es von außen aussieht. Tausende kleine Rädchen müssen verstellt werden, damit das System echtes Lossless sinnvoll verarbeiten kann.
Höre ich denn die Unterschiede?
Einige Menschen argumentieren mit Frequenzen, die man hört oder nicht hört, Lautstärkeunterschieden usw. Fakt ist: Unser Gehör ist erstaunlich sensibel und nimmt feine Unstimmigkeiten wahr – nerviges Hintergrundrauschen, schrille oder „nervende“ Frequenzen, Verzerrungen. Diese müssen nicht einmal massiv sein. Unser Gehör kann viel – austricksen lässt es sich nur begrenzt.
Natürlich gilt: Wenn Musik nur im Hintergrund dudelt und man nicht aktiv oder analytisch zuhört, fällt vieles weniger auf.
Ich richte mich hier nicht an Menschen, denen es egal ist, wenn Musik „wie aus der Dose“ klingt. Jeder soll so hören, wie er möchte. Es gibt Menschen, die mit einem FM‑Radio völlig zufrieden sind, und andere, die lieber eine CD einlegen oder eine Platte auflegen.
Den Ansporn den ich vermitteln möchte
Jeder hat einen gewissen Anspruch an das, was er tut. Der Fußballer möchte in einer höheren Liga spielen, der Musiker Konzerthallen füllen und die Tante, die strickt, will den perfekten Pullover.
Genauso ist es mit Musik in den eigenen vier Wänden. Warum sollte ich zu einer niedriger aufgelösten Quelle greifen, wenn ich Zugang zum „Original“ habe? Ja, am Ende wird das Signal ohnehin noch hier und da zurechtgestutzt – aber lieber von der Originalquelle als von einem schon beschnittenen Ausgangsmaterial.
Es laufen nach der Lossless‑Datei noch so viele kleinere und größere Tools (Software wie Hardware) über das Material, dass man ohnehin davon ausgehen kann, dass das Resultat nicht mehr 1:1 dem Ursprung entspricht.
Und: Wären Lossless‑Dienste wirklich exorbitant teurer, könnte man das als Gegenargument akzeptieren. Sind sie aber nicht.
Qobuz und Tidal als echte Alternative
Ja, jetzt kommt quasi die „Werbung“ für zwei Dienste, die echtes Lossless und darüber hinaus auch High‑Res‑Lossless bieten. Aber mal ehrlich: In einer Welt, in der gefühlt alle gegen alles sind und vielen Selbstbestimmung wichtig ist – unterstützt ruhig Dienste, bei denen ihr als Hörer und als Künstler offensichtlich mehr Wert seid.
Als netter Nebeneffekt bekommen die Künstler dort auch noch mehr Geld. Im Falle von Spotify erhalten sie im Schnitt etwa 0,004 USD pro Stream, wohingegen Tidal rund 0,013 USD und Qobuz etwa 0,018 USD pro Stream zahlen. Anders ausgedrückt: Tidal zahlt etwa 225% und Qobuz rund 387,5% mehr pro Stream als Spotify.
